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Hugo Eccles und die XP Zero

Hugo Eccles und die XP Zero
Design, linien und das neueste vom neuen - Wir sprechen mit Hugo Eccles, Mitbegründer und Designchef bei Untitled Motorcycles und Erschaffer der viel bewunderten elektrischen XP Zero.

Motorräder neu gedacht

Die Motorradwelt befindet sich wie die ganze Welt im Umbruch. Festhalten an traditionellen Methoden und bestehenden Zuständen führt zu Stagnation und Inspirationslosigkeit. Hugo Eccles beschreitet neue Wege. Er nutzt seine Erfahrungen als Industriedesigner und entwickelt aus einer gedachten alternativen Realität eine neue Bildsprache.

In der XP Zero verschmelzen Form und Funktion miteinander. Gleichzeitig zeigt sie, was möglich ist, wenn jemand mit konventionellen Vorstellungen bricht, wie ein Motorrad auszusehen hat.

Hugo, danke, dass du dir zeit für uns nimmst. wir sind grosse fans deiner arbeit, besonders von der neuen XP. Erzähle uns davon, wie untitled motorcycles anfing und wie du darin tätig wurdest.

Hugo Eccles (H.E.): Mit Vergnügen. Mein Geschäftspartner Adam Key begann mit Untitled Motorcycles in 2010, zusammen mit der Renaissance der Café-Racer-Szene. Adams und meine Wege kreuzten sich 2013. Ich hatte gerade meine leitende Stellung in einem bekannten Londoner Designbüro aufgegeben und wollte in die USA gehen, um mich in Kalifornien als Customizer selbständig zu machen.

Adam und ich kannten uns vom Bike Shed (Anm.: Hugo und Adam gehören zu den Gründern des BSMC). Wir begannen, in London zusammenzuarbeiten, und als ich nach San Francisco zurückging, entschloss ich mich, die US-Niederlassung von Untitled Motorcycles zu eröffnen. So entstand UMC-SF.

Hugo, danke, dass du dir zeit für uns nimmst. wir sind grosse fans deiner arbeit, besonders von der neuen XP. Erzähle uns davon, wie untitled motorcycles anfing und wie du darin tätig wurdest.

Ich bin von Beruf Industriedesigner und habe meinen Master am Royal College of Art in London gemacht. Ich übte den Beruf über 25 Jahre aus, davon 18 in leitender Funktion.

Das Tolle an Industriedesign ist die unglaubliche Vielfalt an Aufgaben. Ich habe für TAG Heuer gearbeitet, für Nike, für italienische Möbelfabrikanten und Hersteller von Unterhaltungselektronik. Ich habe auch Konzepte für Automobilfirmen entworfen, für Peugeot-Citroën und Ford.

Wie hast du deine berufserfahrungen in deine arbeit bei untitled übertragen?

Nun, ich habe keine formelle Erfahrung als Ingenieur oder im Transport. Aber ich habe den Vorteil, mit vielen Firmen aus allen möglichen Geschäftsbereichen gearbeitet zu haben. Auf gewisse Art habe ich seit Jahren mit einzelnen Elementen von Motorrädern zu tun: Anzeigeinstrumente haben Parallelen zu Luxusuhren, Sitzmöbel zu Sitzbänken, Schalter zu Bedienoberflächen von Unterhaltungselektronik usw.

Aber der größte Vorteil meiner Erfahrung liegt darin, dass ich Ideen von außerhalb des Motorradbereichs einfließen lassen kann. Wenn du ein Motorrad entwirfst und deine Inspiration sind nur andere Motorräder, drehst du dich im Kreis. Grenzen verändern sich nicht, wenn man keine Ideen von außerhalb bekommt.

Faszinierend, das klingt im hinblick auf kreativität so, als wäre irgendwann mal der nullpunkt erreicht. Stichworte motorradhistorie und -kultur: was waren deine frühen motorradeinflüsse?

Ich bewunderte schon als Kind Auto- und Motorraddesign. Schuld daran war mein Vater. Der war Amateurrennfahrer und eingefleischter Motorradfan. Ich bin auf dem Land groß geworden und weiß noch, dass er auf seiner metallic-orangen Suzuki GT 250 zur Arbeit fuhr. Über Anzug und Krawatte trug er einen wasserdichten Overall, das hatte was von James Bond.

Noch mal zurück zu den ideen von ausserhalb: gibt es noch andere gebiete oder branchen, die deine kreativität beeinflusst haben?

Ja, am meisten hat mich das Design von Automobilen geprägt. Mein Vater besaß einen weißen Sunbeam Tiger, ein kleines englisches Auto mit riesigem, amerikanischem V8-Motor, gebaut von einem Typen namens Carroll Shelby. Der Tiger war auf viele Arten ein Vorläufer des AC Cobra.

Gibt es designer, die du bewunderst? Und wenn ja, welche stilelemente schätzt du?

Ich bin großer Fan von Marcello Gandini, der war einer der Chefdesigner bei Bertone. Er war der Mann hinter einigen großartigen und kühnen Entwürfen wie dem Lamborghini Miura und, nur fünf Jahre später, dem bahnbrechenden Countach. Mit seinem Mittelmotor und seiner nach vorn orientierten Fahrerkabine beeinflusste er alle weiteren modernen Supersportautos. Kürzlich besuchte ich das Museo Alfa Romeo in der Nähe von Mailand. Dort steht der Carabo, Gandinis unglaublichstes Werk und der Inbegriff eines Autos mit Flügeltüren. Es ist kaum zu glauben, dass das Design über ein halbes Jahrhundert alt ist.

Ich bewunderte schon als Kind Auto- und Motorraddesign. Schuld daran war mein Vater. Der war Amateurrennfahrer und eingefleischter Motorradfan.

Apropos design, das jahrzehnte überdauert: gab es momente in denen du versucht warst, entwürfe zu überarbeiten, zu erneuern oder zu erweitern, um ein original oder eine kreative vorstellung weiterzuentwickeln?

Kein Projekt ist perfekt, das ist es, was dich zum nächsten treibt. Ich nehme vielleicht kleine Modifikationen oder Verbesserungen vor, aber ich verändere nie etwas fundamental. Ein Projekt ist das Resultat eines Moments in der Zeit, die Summe von Entscheidungen, die du entweder selbst getroffen hast oder die dir durch äußere Umstände aufgezwungen worden sind. Es repräsentiert die Phase, in der du dich in deiner persönlichen und beruflichen Entwicklung befindest. Jedes Projekt beinhaltet Kompromisse und normalerweise steckt da eine Geschichte hinter, die ihm Charakter verleiht. Wegen meines Hintergrunds als Industriedesigner habe ich immer auch die Möglichkeit einer handwerklichen oder industriellen Produktion im Hinterkopf. Also ja, ich besuche ehemalige Projekte, wenn ich das nächste angehe.

Zum Beispiel baue ich gerade einige Hyper-Scrambler für einen Kunden und ich integriere darin meine Erkenntnisse, die ich in den letzten vier Jahren gewonnen habe, in denen die Hyper-Scrambler mein Alltagsmotorrad war. Es gibt neue Teile, andere wurden verbessert, dazu neue Details, die ich dem Original mitgeben will.

Mein jüngstes Projekt, die XP Zero, ist vielleicht 60 Prozent von dem, was ich vorhatte. Manche Ideen musste ich beiseite lassen, damit die Maschine beim letztjährigen Goodwood Festival of Speed debütieren konnte. Aber keine Sorge, in den folgenden Versionen sind die Ideen enthalten.

Was war das schwierigste an der xp zero, wenn sie nicht 100 prozent so ist, wie du sie haben wolltest?

Das war wirklich eine Herausforderung, aber sie kam nicht unerwartet. Kein Projekt für die reale Welt kommt jemals ohne Kompromisse aus. Meine Lösung ist, meine eigenen Erwartungen so hoch wie möglich zu schrauben. Wenn ich die dann unvermeidlicherweise unterschreite, ist das Ergebnis immer noch gut. Von 200 Prozent um die Hälfte auf 100 Prozent zurückzufallen bedeutet immer noch ein ordentliches Resultat. Die größte Herausforderung am XP Projekt lag wahrscheinlich in der Frühphase des Kreativprozesses. Ich musste alles vergessen, was ich über Motorräder und Design als Grundprinzipien gelernt hatte.

Warum? Was waren die ersten schritte in deinem prozess?

Hugo Eccles: Normalerweise beginne ich eine solche Arbeit, indem ich das Motorrad komplett entblättere und dann neu aufbaue. Ich versuche, nicht zu dogmatisch zu sein, wie ein Motorrad auszusehen hat. Viel eher erlaube ich es Formen und Schnittstellen, die Gestaltung vorzugeben. Für die Hyper-Scrambler gibt beispielsweise der kultige Ducati-Rahmen die Form des konischen Tanks vor. Der wiederum bringt nach hinten die Form der Sitzbank und nach vorn die des vertikalen Scheinwerfers mit sich. Das ist ganz natürliche Evolution. Diese Methode funktioniert bestens bei einem benzingetriebenen Motorrad, denn alle notwendigen Komponenten wie Tank, Auspuff, Ansaugsystem usw. bieten Möglichkeiten zur Reduzierung und Veränderung.

Beim XP Projekt startete ich natürlich auch damit, alles zu demontieren. Aber dann bemerkte ich sehr schnell, dass es an einem E-Motorrad nur wenige Komponenten gibt, die es wirklich benötigt. Du hast den Motor, den Akku und sonst außer Rahmen und Rädern kaum etwas. Die Bauteile eines Verbrennermotorrads, die ich normalerweise als Leinwand fürs Umgestalten verwende, sind einfach nicht da. Um ehrlich zu sein erlebte ich in dem Moment eine kleine Krise. Ich dachte, hier kann ich gar nichts machen. Ich wollte nicht einfach die Sprache einen herkömmlichen Motorrads imitieren, indem ich einen ‚Tank’ montierte, der keinen Sinn hatte.

Wow, klingt nach einer existenziellen krise. Wie bist du wieder raus gekommen?

Von Anfang an wusste ich, ich möchte nicht, dass die XP aussieht wie ein konventionelles Motorrad, denn das ist sie nicht. Wenn ein E-Motorrad aussieht wie ein Verbrenner, setzt du auf eine falsche Äquivalenz. Du erweckst die Erwartung, dass ein E-Motorrad wie ein Benzinmotorrad ist, nur mit einem anderen Motor. Das ist aber beileibe nicht so.

Meinen Wendepunkt erlebte ich, als ich das Barber Motorsport Museum besuchte und die dortige Sammlung von Motorrädern aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende sah. Wunderbare Motorräder, die ohne vorgefasste Ideen gebaut worden waren, wie ein Motorrad sein sollte.

Diese frühen Entwickler mussten ihre eigenen Lösungen finden, sie hatten keinen Rahmen, in dem sie sich bewegen konnten, keine Regeln, keine Industriestandards. Ich glaube, die momentane Situation mit E-Motorrädern ähnelt der Frühzeit der Benzinmotorräder. Ich begann darüber nachzudenken, wie ein E-Motorrad wohl aussehen würde, wenn es Benzinmotorräder nie gegeben hätte. Wie würde ein E-Motorrad 2020 aussehen nach 135 Jahren Geschichte und Entwicklung ausschließlich in diesem Bereich? Wie würde ein E-Motorrad aussehen, dem jeglicher Bezug zu einem Benzinmotorrad fehlt?

Als nicht-designer würde man auf den ersten blick meinen, keine grenzen zu haben müsste doch sehr befreiend sein. Aber es klingt so, als könnte das fehlen von strukturen oder zielen einen designprofi entmutigen.

Wenn du glaubst, keine Einschränkungen zu haben wäre der Traum eines jeden Designers, liegst du komplett falsch. Das ist das, was er am meisten fürchtet. Das fühlt sich an, als starrst in die Leere und die Leere starrt zurück. Um mich besser konzentrieren zu können, fing ich an, gewisse Grundprinzipien von Motorradeigenschaften wieder zu identifizieren. Eine Schlüsselerkenntnis war, dass der Fahrer beim Bremsen, Beschleunigen und in Kurven Halt für seine Knie benötigt. Ich begann, den Knieschluss und weitere Verbindungspunkte wie Fußrasten, Sitz und Lenker als menschliche Kontroll-Schnittstellen zu sehen.

Ich machte mir auch Gedanken darüber, wie die mechanischen Kontroll-Schnittstellen auszusehen hatten. Die XP beschleunigt nahtlos von Null auf 95 km/h in 1,6 Sekunden, ohne Gangwechsel, ohne Unterbrechung. Wenn du das zum ersten Mal erlebst ist es einfach überwältigend, du fühlst dich wie beim Start eines Jets. Ich wollte irgendwie diesen Charakter ins Design transferieren und schaute mir zur Inspiration Flugzeuge, MotoGP-Maschinen, WTAC-Autos und andere aerodynamische Entwicklungen an. Die Idee von mechanischen Kontroll-Schnittstellen bekam Flügel und Strukturen für Abtrieb, die ich in die Linien und Formen der XP integrierte.

Gibt es etwas an der xp, was den leuten besonders auffällt? Etwas, was in diskussionen ganz oben steht oder häufiger kritisiert wird als andere teile des motorrads?

Das auffälligste Detail ist möglicherweise der schaufelradähnliche, CNC-gefräste Riemenscheibe am Hinterrad. Die XP Kommt auf ein Drehmoment von 190 Nm, das ist fast doppelt so viel wie bei einem herkömmlichen Superbike, und ich wollte dieses Zeichen von Kraft und Spannung nach außen kommunizieren. Ich werde auch oft auf den Sitz der XP angesprochen wegen seines extrem starken Neigungswinkels.

Dieser Winkel folgt dem des Zahnriemens, aber er soll auch verwirren. Der Sitz verfügt über zwei Schäume in unterschiedlichen Dichten. Wenn man sich draufsetzt, gibt der weichere Schaum den Weg frei für die horizontal angelegte festere Schaumschicht, die das Gewicht des Fahrers trägt. Das ist alles praktisch und ergonomisch und langweilig.

Hast du zum abschied einen ratschlag für die, die das gleiche machen wollen wie du, sei es als industriedesigner oder als customizer?

Wichtig ist, sich von der Welt faszinieren zu lassen und sich Ideen von außerhalb der Motorradszene zu holen. Ich glaube, ich hätte nicht halb so viele Dinge getan, wenn ich Ingenieur geworden wäre. Nach 25 Jahren als Industriedesigner, in denen ich oft mit Ingenieuren zusammengearbeitet habe, habe ich mir eine starke Intuition in dieser Richtung antrainiert. Aber zuweilen ist meine ‚Ingenieurs-Ignoranz’ mein größter Pluspunkt. Ich werde regelmäßig gefragt, woher manche Details an meinen Werken stammen. Die kamen oft, weil ich nicht wusste, dass sie ‚unmöglich’ sind. Ich ließ sie einfach geschehen, wahrscheinlich aufgrund einer positiv vorsätzlichen Ignoranz. Ich versuche immer, mich aus meiner Komfortzone raus zu begeben, und einige meiner besten Werke kommen aus einer gewissen Nicht-Wohlfühl-Position bei der ich nicht wusste, wie ein Projekt enden wird.