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Motorradstädte, Lissabon, Teil 3

Motorcycle Cities, Lisbon Pt. 3

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Nach dem Chaos und der Verrücktheit des Besuchs in den Nirvana Studios und der süßen Frische der portugiesischen Biere, die Jonathan mit Manuel und seinen Freunden in der Innenstadt von Lissabon genossen hat, ist es für Mr. Wieme an der Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen. Der erste Halt in Teil drei von Motorcycle Cities in Lissabon liegt nur ein paar Straßen vom historischen Platz Terreiro do Paço entfernt. Auf geht's zum O Purista.
O Purista

Vorne ein Friseursalon. Hinten ein Billardtisch. Und dazwischen ein hervorragend bestückter Tresen, der die besten lokalen Biersorten und Craft-Bier-Spezialitäten serviert. Aber nicht nur das. Zur passenden Zeit erhielt ich einen kleinen Medronho-Likör. Prost, meine Freunde!

Willkommen im O Purista und lernen wir den Besitzer des Lokals, Nuno Mendes, kennen. Wenn eine blaue Honda Varadero vor der Tür parkt ist der Chef da.

Was ursprünglich ein Pop-up-Konzept war, ist heute ein fest etablierter, nicht mehr nur vorübergehender Ort im Herzen der Stadt. Zwischen den Stadtteilen Bairro Alto und Baixa befindet sich diese Bar, die ein Hauptquartier für verschiedene Motorradfahrer und ein Treffpunkt für die Crew des Lisbon Motorcycle Filmfestivals ist. Um ein vollständiges Bild zu zeichnen: Auf der einen Seite befindet sich das Bairro Alto, ein recht malerisches Viertel aus dem 15. Jahrhundert. Historisch gesehen war dieses Viertel die Heimat der Künstler und Schriftsteller der Stadt. Heute ist es für seine vielen Bars und Restaurants und sein lebhaftes Nachtleben bekannt. Auf der anderen Seite befindet sich das Baixa, das zum historischen Zentrum Lissabons mit seinen schönen Denkmälern, bedeutenden Plätzen und großen Bpulevards gehört. Es ist überwiegend im neoklassizistischen und pombalischen Stil erbaut – in Anlehnung an den Markgrafen von Pombal, der diesen Teil der Stadt nach dem verheerenden Erdbeben von 1755 wieder aufbauen ließ. Es ist auch das Hauptgeschäftsviertel der Stadt mit traditionellen und neuen Läden, außerdem hält hier die berühmte Straßenbahnlinie 38.

Dust Girls

In O Purista treffe ich Marta und Jimi, zwei Mitglieder der Dust Girls, eine Gruppe von fünf Motorradfreunden, die sich nicht so leicht einschüchtern lassen. Das beweisen sie bei ihren Abenteuern unter spektakulären Bedingungen in Marokko und Kuba. Ich kann dich nur einladen, dir ihre Videos und Reiseberichte auf Manuels Vimeo-Account oder der Dust Girls Insta-Seite (@dustgirlspt) anzusehen. Wenn du denkst, dass ihre Reise verrückt war, dann folge ihnen und erlebe mehr Verrücktheiten in den kommenden Monaten.

Bleib Gold

Ich hatte bereits erwähnt, dass Manuel bei diesem Lissabon-Abenteuer eine große Hilfe war. Bei unseren Gesprächen vor der Reise hatte ich ihm gesagt, dass ich nicht die Absicht oder den Ehrgeiz hatte, einen Führer mit Adressen von guten Motorradwerkstätten in Lissabon zu erstellen, sondern dass ich nach einem Geist, einer Atmosphäre, einem Universum suchte, in dem ich mich wohlfühlen und meine Identität als Liebhaber von Motorrädern finden konnte. Manuel nahm mich mit zum Casa Tigre. Ich könnte sagen, dass es eine Mischung aus einem Modeladen und einem Tattoo-Studio ist. Aber damit würde ich ihm nicht gerecht werden.

Auch hier war ich von einer Geschichte und Lebensphilosophie gefesselt. Luis Raimundo begrüßte uns großzügig, freundlich und erzählte uns seine persönliche Geschichte und die vom Casa Tigre. Es wurde erst vor kurzem von den drei Freunden Paulo (dem legendären Tiger), Alfonso und Rai eröffnet. Casa Tigre ist mehr oder weniger alternativer Treffpunkt für alle, die der Kontrolle und der Macht der Gesellschaft entkommen wollen, und sei es nur für einen Moment. Ein Ort für Punks, Skater, Biker und all jene, die sonst nirgendwo so richtig dazugehören. Ein Ort für alle, die frischen Wind und etwas Einzigartiges suchen. Ein Ort, an dem man einfach nur herumschlendern, ein Bier trinken und Musik hören kann. Das alles verpackt in Stil, Klasse und Humor – und vor allem nicht zu viel Ernsthaftigkeit.

Um auf das Praktische zurückzukommen: Ja, man kann dort auch Kleidung finden. Eine schöne Kollektion im Stil vom Casa Tigre, aber auch Einzelstücke, handbemalte schwarze Jacken und ein Tattoo-Studio für ein lebenslanges Andenken an die Zeit hier. Dieser Laden passt sehr gut in das Viertel Los Anjos, ein etwas in Vergessenheit geratenes Quartier mit einer glorreichen Vergangenheit und prächtigen Art-Déco- und Modernisme-Fassaden und -Gebäuden. Ein Hauch von East Village in den 80er-Jahren. Entsteht hier womöglich ein neues Stadtviertel für Künstler? Wer weiß das schon. Wir werden es sehen. Aber ich würde trotzdem darauf wetten. Oder wie man dort sagt: ficar ouro, bleib Gold. Das heißt, bleib dir treu, authentisch und einzigartig.

Motorradsammlung

Wenn du einen Schatz finden willst, musst du von deiner Route abweichen. Begib dich auf ein Abenteuer. Folge nicht einem Plan, sondern deinem Instinkt. Gut, es ist vielleicht nicht so heroisch wie eine Schatzsuche, bei der dir Piraten im Nacken sitzen, aber trotzdem habe ich mich in ein neues Umfeld gestürzt. Die R nineT hatte ich zurückgeben müssen, dafür half mir Yamaha Portugal mit einer wunderschönen XSR 700 XTribute aus. Ich liebe ihr Aussehen; sie erinnert mich an meine XT 500. Sie ist leicht zu fahren und ihre Reifen, die an die von Dirt-Track-Motorrädern erinnern, verleihen ihr einen abenteuerlichen Charakter.

Fahren wir nach Alcácer do Sal, eine Stunde südlich von Lissabon, wo ein Freund von mir, Mircae, lebt und arbeitet. Ich lernte ihn vor ein oder zwei Jahren durch meine Arbeit in Brüssel bei einer Designausstellung kennen. Dieser Kunsthandwerker, Kreative und Designer führt seine Holzarbeiten in einer riesigen Werkstatt mit einem großen Außenbereich aus, der seiner Fantasie freien Lauf lässt und seine Schaffenskraft anregt. Das wollte ich mir unbedingt ansehen, Mircae und sein Team treffen, die gerade das Großprojekt „La Puerta" für das Restaurant Mirazur in Südfrankreich abgeschlossen hatten.

Das ist ein Drei-Sterne-Restaurant, das 2019 zum besten Restaurant der Welt gewählt wurde. Heute arbeitet er an einem Hotelprojekt in Lissabon, dem JAM Hotel, ein Entwurf des Architekturbüros Atelier Lionel Jadot. Aber das Beeindruckendste bei Mircae ist neben seinen Möbeln und Tischen sein ganzes Universum, das mich zusammen mit diesem Ort der Kreativität zum Träumen bringt und mich in eine andere Welt entführt. In seine Welt.

Nach einer Bootsfahrt erzählt er mir, dass wir einen Freund von ihm, Bernardo, besuchen können, der offenbar eine verrückte Sammlung alter Motorräder hat, die er mit seinem Vater Manuel pflegt und ausbaut. Nicht weit von Mircaes Werkstatt entfernt verlassen wir die Straße, fahren durch ein Tor und über ein kurzes Stück Piste zu einer Halle, in dem diese Sammlung alter Motorräder versteckt ist. Das Portal geht auf, die Lichter flammen eines nach dem anderen auf und ein erstauntes „Wow... wow... wow..." passt sich deren Rhythmus an.

Hier gibt es nicht eine bestimmte Marke oder einen bestimmten Typen, sondern eine Sammlung von Motorrädern, von denen eines sagenhafter ist als das andere. Leider bin ich kein Experte, der sie alle erkennen und ihre Seltenheit beurteilen kann. Aber das ist nicht der Punkt. Es macht Lust, alles im Detail zu sehen, anzufassen, zu untersuchen und zu entdecken. Es macht immer Spaß, an einen Ort wie diesen zu kommen. Man weiß nicht, wo man zuerst hinschauen soll, man fühlt sich verloren, wenn man versucht, da durchzudringen. Ich entdecke eine Aprilia Moto 6.5, die Stardesigner Philippe Starck entworfen hatte. Dort steht eine CB 750 Four, ein schöner Vierzylinder, wie ich ihn vor meiner Ducati 750 Sport hatte. Ein schöner Yamaha-Zweitakter, eine Hercules mit Wankelmotor. Mehrere fantastische Motocross-Motorräder, darunter Harley, Garelli und Gilera. Ich liebe es.

Aber die, die meine Aufmerksamkeit und Bewunderung vielleicht am meisten auf sich ziehen haben, sind die 50er und 125er von Benelli, Ducati, Hercules und Flandria. Und natürlich eine wunderschöne, großartige Honda Dream 50. Dazu eine schöne Sammlung von Vespas und Lambrettas, die, wenn ich das richtig verstanden habe, die Basis der Sammlung bilden.

Ich beende meinen Rundgang und bleibe zwei Minuten vor einer Suzuki RG 500 stehen. Ich habe das Gefühl, dass sich der Rest der Sammlung in Richtung Rennmotorräder aus den 80er- und 90er-Jahren entwickeln wird. Wer mehr wissen will – die Familie betreibt ein hervorragendes Bed & Breakfast namens Casas da Horta. Der ideale Ort für eine Auszeit und um selbst Schätze zu finden.

TEXT & FOTOS VONJonathan Wieme

Lerne Jonathan Wieme kennen, den Mann hinter „Motorcycle Cities“. Das ist ein unabhängiges Printmagazin, über das wir bei einem Samstagnachmittagsspaziergang in Antwerpen gestolpert sind.

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